Donnerstag, 22. September 2011

Ein Appell an die Moral

Mich beschäftigt in dieser Woche ein ganz bestimmter Fall, der in den Medien leider nur nebenbei angesprochen wurde: Der Fall um Troy Davis.

Für diejenigen, die nicht wissen um was es geht, paraphrasiere ich kurz die Hintergründe:

Troy Davis wurde 1991 von einem amerikanischen Gericht zum Tode verurteilt, da er 1989 am Tod eines Polizisten schuld sei. Schon während der Verhandlung in diesen zwei Jahren waren Zweifel an seiner Schuld immer wieder präsent. So war dieser, laut Eigenaussage, nicht am Tatort, und handfeste Beweise wurden auch nie gefunden. Die Verurteilung beruhte im Prinzip nur auf Zeugenaussagen. In einer weiteren Anhörung im Jahre 2010, dementierten 7 von 9 Zeugen ihre Aussage wieder, und stellten klar, dass sie von der Polizei zu ihrer Aussage gedrängt worden seien. Die restlichen zwei Zeugen, einer davon psychisch labil, der andere stand selbst einmal unter Verdacht, beharrten auf ihrer Aussage von vor 20 Jahren. Das Oberste Gericht entschied, entgegen der dürftigen Beweislage, am vorherigen Urteil festzuhalten. Gestern, am 21. September, wurde Troy Davis, nach vier stündiger Verzögerung, um 11.08 a.m (amerikanische Ortszeit) für tot erklärt.

Der Fall um Troy Davis rief weltweites Entsetzen hervor. Nicht nur bekannte Menschenrechtsorganisationen, wie Amnesty International, setzten sich für die Rechte des Verurteilten ein, sondern auch viele Privatpersonen, die Petitionen unterschrieben, oder auf die Straße gingen. Jeglicher Einsatz scheint aber umsonst gewesen zu sein.

"Im Zweifel für den Angeklagten" heißt es nicht nur in der deutschen Rechtsprechung, sondern auch in der Amerikanischen. Doch wo fand dieser Grundsatz bei diesem Prozess Anwendung? Ein Fall, der soviele Zweifel aufwirft, kann und darf nicht so enden. Nicht in einer Gesellschaft, die sich für die Menschenrechte stark macht. Kann man es verantworten, dass jemand, der vielleicht doch unschuldig ist, seines Lebens beraubt wird? Der Staat ist in diesem Falle nichts weiter als ein Mörder.

Was mich aber noch mehr entsetzt ist die Heuchelei, die man so oft in diesem Zusammenhang zu hören bekommt. Sehr viele Leute, natürlich auch die Familie des Ermordeten, sprachen sich für die Hinrichtung aus. Leute, die jeden Sonntag in die Kirche gehen und sich das Wort Gottes anhören, vielleicht auch privat die Bibel lesen, die sich selbst als wahre und gläubige Christen bezeichnen. Sie alle sagen, dass die Gerechtigkeit nur dann eintrete, wenn der Mörder seinen Tod gefunden hat. Doch wahre Christen morden nicht, auch nicht im Namen Gottes. Ihnen ist Gnade und Barmherzigkeit wichtiger, als Rache. Doch genau diesen Kontrast sieht man immer häufiger. Gerade in der USA fällt mir diese Heuchelei zwischen Religion, und praktiziertem Handeln immer wieder auf.

Ich finde es erschreckend, dass in einem Land, dass sich selbst als Schild und Schwert der Demokratie und Menschenrechte bezeichnet, noch solche Verhältnisse vorherrschen. Aber das gilt nicht nur für die USA, auch der restliche "Westen" sollte konsequenter an dieser Rolle festhalten. Wie glaubwürdig sind wir, wenn wir mit unserm Finger auf andere Staaten zeigen, aber es selbst nicht viel besser machen? Sollten wir nicht ein Zeichen setzen, und dem Hass in der Welt mit etwas mehr Barmherzigkeit und Vernunft entgegentreten, anstatt mit Gegenhass zu antworten? Nehmen wir damit dem Hass auf dieser Welt nicht das Futter, von dem er sich ernährt?

Troy Davis trat kurz vor seiner Hinrichtung sehr erhaben auf. Er beharrte bis zu letzt an seiner Unschuld, doch sprach er sein Verständnis gegenüber seinen Klägern aus. "Möge Gott euch verzeihen" - Sprach er, und ich hoffe die Leute werden sich noch ewig daran erinnern.